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Südsudan am Abgrund

Der Südsudan stehe ‚am Abgrund‘, warnte US-Präsident Obama vergangene Woche. Die Ereignisse der letzten Tage legen nahe, dass das Land mittlerweile einen Schritt weiter ist. Ein Ãœberblick.

sudan_mapPansudanesisches Herz-Kreislauf-System: Ölfelder, Pipelines und Raffinerien (eia, 2013)

Vordergründig zerbricht der Südsudan derzeit an der Rivalität zweier Männer. Salva Kiir, Kriegsfürst und Präsident, repräsentiert den verbreiteten Stamm der Dinka. Ihm gegenüber Rieck Machar, Ex-Vize und Angehöriger des Nuer-Stammes. Kiir schasste Machar diesen Sommer aus dem Amt, nun bekämpfen sich deren Anhänger und bedrohen die, bis anhin fragile Stabilität. Von diesem Abgrund sprach Obama. Er ist die Spitze des Eisberges.

Verknüpfungen zwischen Politik, Stämmen, wirtschaftlichen Interessen und Militär sind sehr eng. So bedeutete die Absetzung Machars, dass der Stamm der Dinka von nun an alleine regierte und nicht mehr bereit war, die Macht mit den Nuer zu teilen. Im Kontext eines multiethnischen Konfliktes müssen die Nuer mit dem Verlust von Privilegien, Repression oder Genozid rechnen. Soweit die Ausgangslage.

Mitte Dezember spitzte sich die Lage weiter zu. In Jonglei, dem Stammesgebiet der Nuer, kam es zu Hetzjagden auf Angehörige der Dinka. Diese flüchteten sich in ein Lager der UNO. Berichte sprechen davon, dass die Nuer selbst das Lager angriffen.[1] Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Durch die militärische Opposition des ehemaligen Juniorpartners verliert die Regierung zunehmend die Kontrolle über die östlichen Gebiete, die zivilen Opfer liegen im dreistelligen Bereich.[2] Die Besetzung von Ölfeldern durch Rebellen [3], ritzt am seidenen Faden, an dem das politische Ãœberleben der Regierung hängt – 98% ihres Budgets werden durch Ölexporte finanziert.

Ausgerechnet die korrupten Eliten Südsudans und Sudans lassen hoffen.[4] Zwar hetzte in der Vergangenheit der Sudan rivalisierende Stämme gegen die regierenden Dinka auf. Mit derselben Technik destabilisierte der Südsudan den Norden. Dabei hängt der Fortbestand beider Regimes von Ölexporten ab, eine unkontrollierte Eskalation liesse diese versiegen. Gleichermassen bedroht ein nachhaltiger Frieden ihren Machterhalt. Da im Süden die ergiebigen Felder liegen und die Pipeline durch den Sudan verläuft, sind die beiden Regierungen zur Zusammenarbeit verdammt, den Konflikt auf mittlerer Intensität zu managen. Angesichts zunehmender Komplexität, Dynamik und Anzahl Akteure ein Spiel mit dem Feuer.

Ressourcenverteilung ist Geopolitik. Die Tatsache, dass China Hauptabnehmer des Öls ist und enge militärische Beziehungen zum Sudan pflegt, spricht Bände. Und Kiir trägt bei politischen Auftritten nach wie vor seinen schwarzen Stetson, ein Geschenk G. W. Bushs.

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[1] http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Drei-UnoSoldaten-im-Suedsudan-getoetet–Obama-schickt-Truppe/story/15996321
[2] http://www.nytimes.com/2013/12/18/world/africa/violence-in-south-sudan.html?_r=0
[3] http://tvnz.co.nz/world-news/rebels-said-control-some-south-sudan-oil-fields-5784353
[4] Den internen Stammesfehden übergeordnet ist die Rivalität mit dem nördlichen Nachbarn Sudan. Zankapfel ist die ölreiche Grenzregion Abyei, derzeit unter Verwaltung der UNO. Anfang November stimmte Abyeis Bevölkerung (unilateral) über eine Angliederung an den Süden ab, die Zustimmung betrug über 90%. Die Rede ist von 100’000 Dinka, welche aus dem ganzen Süden nach Abyei reisten, um an der Abstimmung teilzunehmen, während die Nomaden aus dem Norden davon ausgeschlossen blieben. Entsprechend brüskiert ist der Sudan. Der Schluss liegt nahe, dass der Sudan derzeit Stämme gegen die regierenden Dinka aufhetzt und damit zur Destabilisierung des Südens beiträgt – eine Technik, welche über die langen Jahre des Bürgerkrieges perfektioniert wurde.
Für eine umfassende Lagebeurteilung siehe www.crisisgroup.org.

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