Laibach: Klang der Macht, Spiegel der Welt
Laibach sind mehr als nur eine Band – sie sind ein kulturelles Phänomen, ein ästhetischer Schock, eine politische Provokation. Seit ihrer Gründung 1980 im damals jugoslawischen Trbovlje hat sich die slowenische Formation als Meister der künstlerischen Subversion und musikalischen Dekonstruktion etabliert. Ihre ästhetische Sprache ist geprägt von totalitärer Symbolik, martialischen Sounds und einem theatralischen Gestus, der gleichermaßen fasziniert wie verstört. Mit jedem neuen Werk lotet Laibach die Grenzen zwischen Kunst und Ideologie, Ernst und Ironie, Hochkultur und Pop aus – so auch mit ihrem aktuellen Orchesterprojekt „Alamut“, das 2023 auf der Frankfurter Buchmesse uraufgeführt wurde.
Die sinfonische Tondichtung basiert auf dem gleichnamigen Roman von Vladimir Bartol, einem Klassiker der slowenischen Literatur. Bartols „Alamut“, erschienen 1938, erzählt die Geschichte von Hasan-i Sabbah, dem Anführer der Nizariten, der im 11. Jahrhundert eine Festung im persischen Alamut-Gebirge zur ideologischen Waffe macht. Mit dem Versprechen auf himmlischen Lohn zieht er junge Männer in den Krieg gegen die Seldschuken – ein Motiv, das unheimlich modern anmutet angesichts heutiger Extremismen. Der zentrale Satz „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“ wird oft als Vorläufer machiavellistischer Denkmuster interpretiert. Doch Laibach machen daraus mehr als nur eine historische Meditation – sie verwandeln Bartols Stoff in eine akustische Warnung vor den wiederkehrenden Mustern von Machtmissbrauch und Ideologisierung.
In der Komposition, entstanden in Zusammenarbeit mit den iranischen Komponisten Idin Samimi Mofakham und Nima A. Rowshan, kulminiert eine orchestrale Wucht, wie sie selbst für Laibach ungewöhnlich ist. Das RTV Slovenia Symphony Orchestra, ein sechzigköpfiges Akkordeonorchester namens AccordiOna, das Vokalensemble Gallina sowie das Human Voice Ensemble sorgen für eine Klangdichte, die zwischen Erhabenheit und Bedrohung changiert. Im finalen Stück „Meditation II & Epilogue“ rezitiert Frontmann Milan Fras an das iranische Volk gerichtete Zeilen – Worte, die ebenso auf jede andere unterdrückte Gesellschaft übertragbar sind. „Iranians, are you ashamed of your own blood, your lineage and origin?“ fragt er, bevor er mit kalter Entschlossenheit verkündet:
„I know neither cruelty nor mercy, I follow my plan.“
Gerade in einer Zeit, in der weltweit autoritäre Führer an Einfluss gewinnen, liefert Laibach mit „Alamut“ ein künstlerisches Statement von beklemmender Aktualität. Der Sound ist bedrohlich, akzentuiert, voller Spannung – ein akustischer Aufschrei gegen politische Manipulation und kollektive Selbstaufgabe. Die Parallelen zu gegenwärtigen Zuständen in Iran, Russland oder auch im Westen sind unüberhörbar. Der Satz „Terrible is the God who guides us“ lässt sich als resignative wie auch aufrüttelnde Erkenntnis lesen.
Doch Laibach bleiben nicht bei historischen Reflexionen stehen. 2024 veröffentlichten sie eine Coverversion von „Strange Fruit“, dem antifaschistischen Lied, das einst Billie Holiday berühmt machte. Damit schlagen sie eine direkte Brücke zwischen Rassismus, Erinnerung und musikalischem Protest – ganz im Geiste ihrer langen Tradition, Songs politisch aufzuladen. Auch ältere Werke wie „Opus Dei“ (1987) wurden jüngst reaktiviert – eine Erinnerung daran, dass die Geschichte sich nicht wiederholen muss, wenn man ihre Muster erkennt.
Laibach sind eine der wenigen Bands, die es schaffen, mit jedem neuen Werk sowohl kulturell zu irritieren als auch intellektuell zu stimulieren. „Alamut“ ist kein gefälliges Album, sondern ein musikalisches Schlachtfeld – düster, komplex, fordernd. Doch gerade darin liegt seine Stärke: Es zwingt uns zum Hinhören. Denn wer nicht hört, der wird geführt – von Göttern, Despoten oder bloß von der nächsten Schlagzeile.