Esperanto: Die Sprache der Hoffnung – erfolgreich, genial, aber fast vergessen

Esperanto gilt als die erfolgreichste Plansprache der Welt. Ende des 19. Jahrhunderts von dem Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof entwickelt, sollte sie als neutrale Brückensprache zwischen den Völkern fungieren und das gegenseitige Verständnis fördern. Die Vision: Eine leicht erlernbare, politisch neutrale Sprache, die nicht die kulturelle Vorherrschaft einer Nation repräsentiert – im Gegensatz zu Englisch, Französisch oder Russisch.

Tatsächlich verbreitete sich Esperanto in kurzer Zeit. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten sich internationale Esperanto-Vereine, es erschienen Zeitungen, Bücher und sogar Romane in dieser neuen Sprache. Sogar Weltkongresse wurden abgehalten, bei denen sich Esperanto-Sprecher aus verschiedensten Nationen trafen – und sich verstanden. Die Sprache war einfach zu lernen, logisch aufgebaut, grammatikalisch konsistent und frei von Ausnahmen, die man in natürlichen Sprachen oft mühsam pauken muss.

Doch trotz dieses beeindruckenden Starts konnte sich Esperanto nicht dauerhaft als Weltsprache durchsetzen. Der Erste und besonders der Zweite Weltkrieg unterbrachen die Entwicklung, viele Esperanto-Sprecher wurden verfolgt – teils sogar ermordet, etwa durch die Nazis oder das stalinistische Regime, die internationale Vernetzung misstrauisch beäugten. Nach dem Krieg hatte Esperanto zwar ein kleines, aber engagiertes Netzwerk, doch der Traum von der universellen Sprache war verblasst.

In der Gegenwart gibt es zwar noch mehrere hunderttausend Sprecher weltweit. Einige schätzen die Zahl sogar auf bis zu zwei Millionen. Es gibt Internetplattformen, Podcasts, Musik und Bücher in Esperanto. Doch im Alltag spielt die Sprache kaum eine Rolle. Englisch hat längst die Rolle der globalen Lingua Franca übernommen – wirtschaftlich, politisch und kulturell.

Dabei hätte Esperanto auch heute noch Potenzial. In einer Welt, die sich nach Verständigung sehnt und gleichzeitig von sprachlichen Ungleichgewichten geprägt ist, könnte eine neutrale Plansprache durchaus Charme entfalten. Doch der digitale Zeitgeist bevorzugt Praktikabilität vor Idealismus. Eine Sprache ohne Nation im Rücken, ohne wirtschaftlichen Nutzen – sie bleibt ein schönes, fast vergessenes Projekt.

Esperanto war ein mutiger Versuch, den Turmbau zu Babel zu überwinden. Es ist die erfolgreichste aller erfundenen Sprachen – aber vielleicht gerade deshalb vergessen, weil sie zu idealistisch war für eine Welt, die lieber von Interessen als von Verständigung spricht.

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