Faust, Blockchain und die neue Weltordnung – Wie Goethes Klassiker die digitale Machtfrage spiegelt

Goethes „Faust“ erzählt vom ewigen Streben nach Wissen, Macht und Kontrolle – und davon, wie leicht Vertrauen in Versuchung umschlägt. Heute, im Zeitalter von Blockchain und digitaler Governance, kehrt diese alte Geschichte in neuer Form zurück.

Die Blockchain steht für das Versprechen einer Welt ohne Mittelsmänner – einer sogenannten „trustless society“. Eine Studie aus dem Jahr 2024 mit genau diesem Titel („A trustless society? A political look at the blockchain vision“; alle Studien unten im Artikel verliknkt) fragt, ob diese Technologie wirklich zu mehr Demokratie führt oder nur alte Machtstrukturen ersetzt. Der Gedanke erinnert an Fausts Zweifel: Was passiert, wenn der Mensch Kontrolle über Kräfte sucht, die größer sind als er selbst?

Noch einen Schritt weiter geht eine aktuelle Arbeit aus Oktober 2025: „Farewell to Westphalia: Crypto Sovereignty and Post-Nation-State Governance“. Sie argumentiert, dass klassische Nationalstaaten allmählich durch neue, technologische Governance-Modelle ersetzt werden könnten – eine Art digitale Souveränität, in der nicht mehr Regierungen, sondern Netzwerke und Algorithmen die Regeln bestimmen.

Hier berührt sich moderne Geopolitik mit Goethes Symbolwelt. Im „Faust“ steht die Wette mit Mephisto für das Überschreiten von Grenzen, für die Suche nach Kontrolle über Kräfte, die nicht vollständig beherrschbar sind. Genau das geschieht heute mit Daten, Währungen und Machtverhältnissen. Wer kontrolliert die digitale Infrastruktur? Wer besitzt die Daten? Staaten, Tech-Konzerne oder dezentrale Netzwerke?

Die geopolitische Realität spiegelt diese Fragen wider. Immer mehr Länder entwickeln eigene digitale Währungen und Blockchain-basierte Systeme für Verwaltung, Handel und Sicherheit. Doch gleichzeitig warnen Forscher, dass Dezentralisierung nicht automatisch Freiheit bedeutet – sie kann auch neue Machtzentren hervorbringen, unsichtbarer, aber nicht weniger einflussreich.

So lässt sich Goethes Werk als zeitloser Kommentar lesen: Vertrauen, Macht und Verantwortung bleiben zentrale Fragen – ob in der alchemistischen Werkstatt des Doktor Faust oder in den Rechenzentren globaler Blockchain-Netzwerke.

Die Parallele ist klar: Sowohl Faust als auch die Blockchain stehen für den Versuch, Vertrauen technisch zu ersetzen. Doch am Ende bleibt dieselbe moralische Frage: Wie viel Kontrolle darf der Mensch wagen, bevor der Pakt mit der Macht ihn selbst beherrscht?

 

Quellen / Weiterführende Literatur:

 

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