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DigitalMusik

Heisses Eisen: Eine Ode an Bandcamp

Bandcamp ist geil: eine unerschöpfliche Quelle echter Musik. Wer wie ich stets auf der Suche nach dem Obskuren, dem Undergroundigen, dem Ãœberraschenden ist, findet hier reihenweise grossartige, komplett unbekannte, leidenschaftliche Bands, die weder Labels noch den Mainstream-Medien verpflichtet sind, sondern einfach ihre Musik an eine ebenso leidenschaftliche Hörerschaft bringen wollen. Hier wird man nicht Fan oder Freund, es wird nicht geliked oder retweeted, sondern man stöbert und stolpert, sucht und findet. So geht's mir jedenfalls. Und trotzdem ist man voll modern: klickklick und schon hat man gekauft, bezahlt und downgeloadet. Und nicht selten liegt ein paar Tage später auch noch die handfeste Version im Briefkasten, am Liebsten aus Vinyl. Die Kohle geht direkt an Bands oder Kleinlabels, man wird nicht mit Werbung zugebombt und man kriegt das eine oder andere nette Mail von der Gitarristin oder dem Drummer persönlich, mit bestem Dank für die paar Euros oder Dollars, die man für sein Album abgedrückt hat. Auf Bandcamp lebt der alte DIY-Gedanke weiter. Oder seh ich das zu rosig? Egal: Hier einige Bands, die ich via Bandcamp entdeckt, schätzen gelernt und unterstützt habe.

Landskap – I
I by Landskap
England ist ein gutes Pflaster für Doom und Landskap setzen eine alte Tradition fort. Wie bei einer, ähem, Allstar-Band üblich, lässt sich ein bisschen Namedropping kaum vermeiden: Pantheist, Indesinence, Fen sind nur die bekanntesten Bands, in denen Landskap-Members aktiv sind. Man merkt den Songs an, dass hier gestandene Recken am Werk sind. Souverän, stilsicher, ohne Ausfall wird hier feinster Doom mit deutlicher 70er-Psychedelic-Schlagseite zelebriert: wunderbar! Die Orgel orgelt, die Riffs sitzen, die Stimme überzeugt ohne Wenn und Aber. Klingt alles wenig spektakulär. Ist es irgendwie auch. Trotzdem läuft dieses Album bei mir seit Wochen rauf und runter.

Sculptor – Pact with the Doomed
Pact with the Doomed by Sculptor
Wenn das mal kein Geheimtipp ist: Ich scheine tatsächlich der einzige zu sein, der dieses Album in seiner Sammlung hat. Dabei weiss die ahnungslose Masse nicht, was sie verpasst. Doom Death der originelleren Sorte, mit gelegentlichen stilistischen Schwenkern in den Black Metal, bisweilen auch in weniger klar definierbare Gewässer. Das Wichtigste dabei: Der gute Sculpto – so nennt sich der Alleinseligmacher aus Rasskazovo, auf halbem Weg zwischen Moskau und Volgograd – ist mit unbändiger Leidenschaft dabei. So entstand ein äusserst stimmungsvolles Werk, das mir auch nach dem x-ten Durchlauf noch eine Gänsehaut beschert. Und ich weiss nicht warum, aber mir kommen dabei immer wieder die ganz alten Samael in den Sinn.

Revelations of Rain – Deceptive Virtue
Deceptive Virtue by Revelations Of Rain (Откровения Дождя)
Nochmal Russland, nochmal Doom Death – diesmal der ganz klassischen, aber auch absolut überragenden Sorte. Revelations of Rain müssen sich nicht hinter Hooded Menace oder anderen Szenegrössen verstecken. Auch Swallow the Sun kommen ab und zu in den Sinn. Doom scheint dem russischen Naturell zu entsprechen, falls es dieses tatsächlich gibt. Wodka saufen oder Doom Metal spielen, heisst die Devise. Letzteres ist dabei sicher gesünder, reinigend gar, wie wir wissen. Schöner, majestätischer, würdevoller kann man Doom Death denn auch kaum spielen. Ein Meisterwerk, das es in meiner letztjährigen Bestenliste nach ganz weit oben geschafft hat. Grandios!

Cara Neir – Portals to a Better, Dead World
Portals to a Better, Dead World by Cara Neir
Texas ist nicht gerade klassisches Black Metal-Territorium. Zu heiss, zu staubig ist das Land, zu doof der dortige Durchschnittscowboy. Cara Neir spielen denn auch keinen klassischen Black Metal. Doof scheinen sie aber auch nicht zu sein, die beiden Jungs. Munter mischen sie Crust und – Tschuldigung! – Post-Black Metal mit ziemlich old schoolig rumpelndem Necrosound und klingen so letztlich recht eigenständig. Das coole Cover-Artwork legt einen Vinylkauf nahe – wären da nicht die horrenden neuen Portopreise für Päckli aus den USA. Ich hab das Teil über Discogs bei einem polnischen Mailorder bestellt. Ach ja: Discogs ist auch eine super Erfindung.

The Howling Void – Nightfall
Nightfall by The Howling Void
Texas ist nicht gerade klassisches Doom Metal-Territorium. Aber wenn man so einsam und alleine ist wie Kollege Ryan, kommt man eben auf aussergewöhnliche Ideen. Zum Glück lebt er seine Melancholie nicht in selbstzerstörerischer Manier aus, sondern in der Schaffung wunderbar atmosphärischer Klangkunstwerke, die jeden Spaziergang durch Nacht und Nebel zum Selbsterfahrungstrip machen. Funeral Doom, sehr ausufernd, sehr schön, der die Geduld des gemeinen zeitgenössischen Musikkonsumenten gnadenlos überstrapaziert, der Doom-Elite aber wohlige Schauer im Minutentakt beschert. Und das ist ja wohl die Zielgruppe von The Howling Void.

Ancst/Smuteční Slavnost – Split
split w/ Ancst by Smuteční slavnost
Berlin meets Prag, Angst trifft auf Trauerfeier: Splits sind was Feines, vor allem wenn alles so gut passt wie hier. Wobei die Berliner ihre Hardcore- oder Punkwurzeln nicht ganz verleugnen können. Dadurch wird das Ganze aber nur umso dreckiger, straighter in die Fresse. Noch besser gefallen mir aber die Tschechen, gehen sie doch um einiges klassischer zu Werke, lassen dabei Raum für Atmosphäre und Melodie. Schöne Sache. Vor allem, wenn man eine der auf 50 Stück limitierten CD's sein Eigen nennen kann. Hail the trve fuckin' Underground! Oder so.

Nebiros/Nekromanteion – In Commvnio Tenebrae Split
Nebiros / Nekromanteion – In Commvnio Tenebrae by Iron Bonehead Productions
Apropos trve, fuckin' und Underground: Hier gibt's mehr von allem. Kein Wunder, Kolumbien und Bolivien sind auch nicht gerade Metal-Mainstream-Gebiet. Umso geiler, dass das deutsche Iron Bonehead-Label diese Obskurität als Split-7″ veröffentlicht. Beide Bands triefen vor richtig bösartigem 80er Ur-Extreme Metal-Spirit. Wahnsinn, wie räudig hier gerumpelt wird! Dabei gehen die beiden Songs erstaunlich gut ins Ohr. Mir jedenfalls. Yo Pecador von Nebiros entpuppt sich bei nachmaligem Hören gar als veritabler Hit. Urgh!

Meine ganze Bandcamp-Collection findet ihr hier: https://bandcamp.com/matte666

Matte

Für Heavy Metal zuständig … und ist der linke Fuss und die rechte Hand von Trollhauser.

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