Nach zwei Jahren Pause ist der Jazz zurück in Willisau
Der Jazz kehrt zurück nach Willisau. Zwei Sommer lang musste das Jazz Festival Willisau pausieren. Ab kommenden Mittwoch steht die Stadt im Luzerner Hinterland wieder ganz im Zeichen der Musik, der zeitgenössischen improvisierten Musik. Dabei besticht die diesjährige Ausgabe besonders durch ihre Breite und die Weiterführung einer stetigen musikalischen Öffnung die keine stilistischen Grenzen kennt.
Exemplarisch für die aktuelle Öffnung des Jazz nach allen Seiten steht der Chicagoer Experimentalmusiker Ben LaMar Guy. Auf seinem aktuellen Album «Open Armns to Open Us» entwirft er eine Musik, die fluid zwischen Populärem und Vertracktem pendelt und alle Stilkategorien zum Verschwinden bringt. Seine Musik ist nicht kategorisierbar. Sie lebt von Klang, Farben, Stimmungen, Rhythmus. Versatzstücke aus Soul, Rn’B, Hip Hop treffen auf solche aus Jazz, Funk, Global-Pop. Ben LaMar Guy ist damit ein klassischer Vertreter des International Anthem Labels, dessen Veröffentlichungen die zeitgenössischen Stromstösse von Musik und Gesellschaft eindrücklich unter einen Hut bringen. Stilistische Abgrenzungen werden aufgelöst: Spielweisen aus Jazz, Elektronik, Hip Hop, Pop, Ambient werden zu bunten Konglomeraten verbunden, die eklektisch schillern, sich reiben und ergänzen und auch das Virtuose und oft Elitäre, die mancher zeitgenössischen Musik anhaften, unterlaufen.
Eine weitere Überraschung ist das «Mondrian Ensemble» mit zeitgenössischer Kammermusik von drei Streicherinnen und einer Pianistin die 2018 den Schweizer Musikprei erhielten. In der damaligen Laudatio wurden die Züricherinnen als «kühne Brückenbauerinnen» beschrieben, die fäden spinnen, die sich ohne Rücksicht auf gewachsene Gräben durch die Musikgeschichte ziehen. Die Auseinandersetzung mit neuer und neuester Musik ist dem Ensemble ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Beschäftigung mit dem klassisch-romantischen Repertoire. Zudem überschreiten die vier Musikerinnen gern den Rahmen der Kammermusik, hinaus zur Improvisation, dem Tanz- und Musiktheater und der elektronischen Musik.
Hochstehende freie Improvisation bietet das «Tiger Trio» mit den Amerikanerinnen Myra Melford (p), Joelle Léandre (b) und Nicole Mitchell (fl). Es mag auf den ersten Blick ungewöhnlich sein, wenn drei Frauen ihr Trio nach einer Raubkatze benennen, deren vorherrschende Eigenschaft ihr Einzelgängertum ist. Doch gerade dies unterstreicht, dass Pianistin Myra Melford, Flötistin Nicole Mitchell und Bassistin Joëlle Léandre aus drei verschiedenen Ecken stammen und sich nur gelegentlich zum gemeinsamen musikalischen Dialog treffen. Diese Allstar-Formation agiert frei fließend zwischen der Energie des Free Jazz und Klangwelten der freien Geräuschimprovisation.
Eine Schweizerin die sich seit jeher nicht in Stilschubladen stecken lässt, bespielt am Freitag den Late Spot, die Bühne für Nachtschwärmer am Jazz Festival Willisau. Die Strahlkraft der Züricherin Big Zis wirkt weit über die Grenzen der Musik hinaus: Sie ist sowohl in der Rap-Szene als auch feministisch gesehen eine Leitfigur. Mit ihren humorvollen, hochpolitischen und meist provokativen Texten traf sie im Laufe der Jahre schon oft den Nerv der Zeit – deshalb und aufgrund ihrer schonungslosen Ehrlichkeit eckte sie auch immer wieder an. Live überbringt Zis und Band eine geballte Ladung Energie mit Luca Ramella, Ruedi Tobler, besser bekannt als Playmob.il und Jonas Häni ist auch ihre Livemusik grossteils improvisiert und mischt ein tanzbares Gebräu an Beats zur krafvollen Ladung Rap.
Und auch die gebürtige Baslerin Vera Kappeler fällt mit einer eigenwilligen Herangehensweise immer wieder auf. Ob mit Interpretationen unbekannter Schweizer Volkslieder, improvisatorischen Trio- und Quartett-Aufnahmen oder ihrem Solo-Programm mit Liedern von Paul Burkhard: Kappeler wagte stets eine Musik, die nicht schon vorgekäut oder gerade angesagt war, sondern die sie selber erforschen und eigen interpretieren wollte. Und jetzt Monk. Vera Kappeler ist sämtliche Stücke von Thelonius Monk durchgegangen und hat eine persönliche Auswahl für ihr Solo-Konzert getroffen, welches sie in Willisau auf der Intimities-Bühne spielen wird.
«Ich war von Monk immer begeistert. Ich mag sowohl sein Spiel, wie seine Kompositionen», sagt Vera Kappeler. Sie spricht vom Konzentrierten, Kernigen, Kantigen, Dringlichen und auch Reduzierten, die seine Stücke und sein Spiel kennzeichnen. «Er hat neue Formen gesucht, von ein-motivigen Stücken bis zu vertrackten Kompositionen mit unregelmässigen Taktstrukturen und ungewohnten Harmoniefolgen.»
Für diese Lust Neues und Ungewohntes zu entdecken steht das Jazz Festival Willisau seit jeher exemplarisch. Willisau will Musikerlebnisse bieten, die in ihrer breiten Kombination sonst nur selten zusammenkommen. Vom 31. August bis 4. September lädt das Jazz Festival Willisau, nach zwei jähriger Pause wieder ein, sich auf musikalische ungewohntes oder überraschendes einzulassen.